Natürliche Personen sind in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht hat zur Folge, dass die Steuerlast grundsätzlich aus allen in- und ausländischen Einkünften ("Welteinkommen") errechnet wird. Sind weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich, so können "Steuerausländer" in Österreich der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Ein Wohnsitz besteht laut BAO dort, wo jemand eine Wohnung innehat, die darauf schließen lässt, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird.

Vor dem BFG (GZ RV/3101107/2016 vom 12.9.2017) war nun strittig, ob ein italienischer Staatsbürger einen Wohnsitz (nach innerstaatlichem Recht) in Österreich begründet hatte oder nicht. Der Lebensmittelpunkt und der qualifizierte Wohnsitz der Familie lagen unstrittiger Weise in Italien. Jedoch hatte der Steuerpflichtige ein Mehrparteienwohnhaus in Österreich zur Hälfte geerbt, in dem ihm eine Wohnung zumindest zeitweise zur Verfügung stand. Die Wohnung wurde von ihm pro Jahr zwischen 14 und 21 Tage bewohnt, wobei die Wohnung selbst sich zumindest teilweise noch im Rohbauzustand befand.

Älterer VwGH-Rechtsprechung folgend reicht es bei der "Innehabung" aus, wenn die Wohnung tatsächlich oder rechtlich jederzeit zur Verfügung steht. Eine ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung ist nicht notwendig, um einen Wohnsitz zu begründen. Jedoch muss die Wohnung, wenn auch nicht ununterbrochen, doch immer wieder tatsächlich genützt werden.

Im Jahr 1990 hatte der VwGH bereits entschieden, dass es für die Begründung eines Wohnsitzes ausreicht, wenn eine Wohnung jährlich mehrere Wochen hindurch (i.d.R. zwei bis drei Monate) benutzt wird. Der polizeilichen Hauptwohnsitzmeldung kommt im Einzelfall jedenfalls Indizienwirkung zu, sie ist aber grundsätzlich nicht entscheidungsrelevant. Wenngleich für die Frage nach der Begründung des Hauptwohnsitzes nicht entscheidend, findet sich noch eine weitere Frist in der Zweitwohnsitzverordnung. Demnach wird ein Zweitwohnsitz in Österreich begründet, wenn eine Wohnung alleine oder gemeinsam mit anderen Wohnungen an mehr als 70 Tagen genutzt wird.

Das BFG verneinte die unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich, da die Dauer der Benützung von 14 bis 21 Tagen pro Jahr zu kurz für die Begründung eines Wohnsitzes in Österreich sei. Zusätzlich wurde ausgeführt, dass die Wohnung aufgrund der unverputzten Wände sowie freiliegender Zu- und Abflussleitungen nicht geeignet war, dem Steuerpflichtigen ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim zu bieten. Mangels Wohnsitz war demnach nur beschränkte Steuerpflicht in Österreich gegeben.

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